Wer zahlt für die (Fahnen)flucht?

„Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt.“ Lucien Favre ist ein sehr guter Fußballtrainer, aber infolge der Zeitbeanspruchung durch diese Bildung kein sehr guter Literat. Beweis: Der Schweizer hat in seinem herzzerreißenden Abschiedsbrief an den Verein Borussia Mönchengladbach und die Fans („Ich werde die ereignisreichen Jahre bei Borussia als meine schönste und emotionalste Zeit als Trainer nie vergessen!... Ihr werdet immer in meinem Herzen bleiben!) glattweg Wilhelm Tell vergessen.  Er hätte zur literarischen Überhöhung der Begründung seines eigenmächtigen Rücktritts sogar nur die 1. Szene des 1. Aktes dieses Dramas von Friedrich Schiller lesen müssen. Andererseits: Tell hat mit Pfeil und Bogen den Apfel vom Kopf seines Sohnes geschossen, um ihn zu retten. Favre jedoch hat Borussia mitten in die Brust getroffen.

Deshalb Achtung, Leser! Im nächsten Satz wird das in der deutschen Sprache so oft unterschätzte Komma wichtig. Denn der brave Mann dachte an sich, selbst zuletzt. Nach fünf Bundesliga- und einer Champions League-Niederlage. „Die beste Entscheidung“ (Favre). Zynischer geht’s nimmermehr. Favre hat den Verein und die Mannschaft mit seiner eigenmächtigen Entscheidung drei Tage vor vier Spielen in elf Tagen in ein Chaos gestürzt. Die Spieler müssen sich verraten und im Stich gelassen fühlen. Der Interims-Coach André Schubert muss nicht Eckbälle und Passspiel trainieren, sondern wunde Seelen streicheln und verloren gegangenen Glauben wieder aufbauen.

Hat Lucien Favre sich eigentlich die Frage gestellt, weshalb Alexander Zorniger oder Michael Frontzeck nicht hingeschmissen haben? Weshalb der Hoffenheimer Trainer Marc Gisdol lächelt, wenn er gefragt wird, ob er sich Sorgen um seinen Job macht? Favre hätte sogar lachen können.

Bis zur Havarie des Kreuzfahrtschiffes Costa galt die eiserne Regel: „Der Kapitän verlässt als letzter das sinkende Schiff.“ Einmal abgesehen davon, ob die Borussia von 1900 schon sinkt – die von 1904 stand in der letzten Saison nach 17 (!) Spieltagen auf einem Abstiegsplatz und schaffte es noch in die Europa League – bleibt die juristisch interessante Frage: Darf ein Kapitän bei voller Fahrt sein Schiff verlassen?

Wirft ein Verein den Trainer raus, kassiert dieser mindestens sein Gehalt bis zum eigentlichen Vertragsende und meist noch einen zusätzlichen Batzen an Entschädigung dazu. So gesehen, müsste Favre ab sofort auf sein Salär verzichten und der Borussia an Entschädigung überweisen, was diese bis zu seinem regulären Vertragsende für einen neuen Trainer aufwenden muss.

Aber so denkt nur der normale Fan. Die Juristen werden andere Finessen finden. Wie schon der vor kurzem verstorbene Ex-DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder gerne bemerkte: „Vor deutschen Gerichten und auf hoher See bist Du in Gottes Hand.“

Der französische Familienname Favre erinnert an das französische Wort Havre, Hafen. Aus einem Hafen des Friedens, von einer Insel der Seligen, wurde Borussia in raue See gerissen. Ob der Fußball-Gott sie daraus rettet? 

Favre hat sich in den viereinhalb Jahren seines Wirkens in Mönchengladbach ein Denkmal gesetzt. Er hat Mönchengladbach vor dem Abstieg gerettet und in die Champions League geführt. Jetzt hat er seinem eigenen Denkmal tiefe Kratzer zugefügt. In den Augen der Fans hat er bei der ersten Krise (Fahnen)flucht vor grün-schwarz-weiß begangen.

 

Rainer Kalb

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