In grauer Vorzeit, vor der Jahrtausendwende und der Ausbreitung des Internets sowie des Streamings, galt noch der Grundsatz : Wenn im Herbst die ersten Blätter fallen, fallen auch die ersten Trainer.
Inzwischen fallen die Blätter schon im Sommer und die Trainer mit ihnen. Viktor Skripnik war in diesem Jahr der erste, und während einer Busfahrt entlassen zu werden, ist schon ein immer noch besonderer Farbtupfer in der Bundesliga-Geschichte. Die Familien-Saga, von Otto Rehhagel, Thomas Schaaf, Franz Böhmer, Dieter Fischer, Willi Lemke, Klaus Allofs begründet, ist zerbrochen. Thomas Eichin, der « Fremde », der Skripnik feuern wollte, musste gehen; sein Nachfolger Frank Baumann verlängerte mit Skripnik bis 2018. Der Familienschwur kommt jetzt teuer zu stehen.
Für beide Trainer war der 3. Spieltag schon ein Schicksalsspiel. Hätte Mönchengladbach nicht gewonnen, wäre André Schubert zwar nach dann drei Niederlagen in einer Woche (einschließlich der 0:4-Klatsche in Manchester) zwar nicht entlassen worden, aber das Grummeln rund um den Borussiapark wäre um einige Dezibel gestiegen.
Unüberhörbar war das Pfeifkonzert gegen Bruno Labbadia am Wochenende. Er war ja schon einmal als Trainer beim Hamburger SV gescheitert, und sowohl bei Bayer Leverkusen wie auch beim VfB Stuttgart – dies eine Parallele – hat er nach starkem Beginn rasant gezeigt, dass er sein Pulver verschossen hatte.
Markus Weinzierl, als Großmeister von Augsburg zu Schalke gewechselt, hat sch den Umstieg aus der Stadt der münzertrunkenen Fugger in die niederen, aufgeregten Regionen der Leute, deren Leben ncht vom Zählen der Goldmünzen sondern vom rausbuddeln des schwarzen Goldes aus den Tiefender Erde geprägt war, sicher auch anders vorgestellt. Und Dirk Schuster, Retter von Darmstadt, muss feststellen, dass seine simple Rettungsphilosoühie in Augsburg zu kurz greift.
Selbst Ancelotti wird schon kritisiert, weil ihm bei Bayern-Fehler nicht wie beim Vorgänger vor Aufregung die Hose reißt, sondern er mit bärbeißiger Ruhe seine Männer spielen und Fehler begehen läßt. Gelebte Erfahrung und Erhabenheit statt Gehibbel.
Eine Lanze muss zur Verteidigung der Trainer allerdings doch noch gebrochen werden. Wenn sie keine Fußball-Lehrer mehr sein dürfen mit Geduld, wenn nur noch gereist und gespielt und renergiert wird, wenn ein Trainer inzwischen bis zu 15 Sprachen beherrschen muss, um nicht nur brockenweise dem Spieler Worte hinschmeißen zu können, wenn Sportvorstände nach Saisonbeginn noch zwei Spieler verpflichten, die natürlich innerhalb von drei Tagen integriert zu sein haben: Dann, ja dann unterschreibt ein Trainer einen ihm von einem Sportdirektor zynisch diktierten Arbeitsvertrag, in dem die Entlassung beim Handschlag schon besiegelt wird.
Das gilt natürlich nicht für die Ausbeuter der Liga, die dank Champions League und TV-Geldern ihre Verfettung in solche Höhen treiben, dass sie feist von oben dem Gemetzel unten unbewegt zuschauen können.
Rainer Kalb