Schalke 04 stellt die Bundesliga auf den Kopf. Seit ihrer Gründung 1963 galt der Spottgesang « Ihr seid nur ein Karnevalsverein » abwechselnd – und manchmal gleichzeitig - dem 1. FC Köln, Mainz 05 oder Fortuna Düsseldorf. Jetzt dringt mit Macht ein Außenseiter auf einen Medaillen-Rang : Der FC Schalke 04.
Von wegen Glück auf. Derzeit ist eher Berg ab angesagt. Und Domenico Tedesco erlebt auch keinen fröhlichen Sonntag mehr, wie sein Vorname vortäuscht.
Der ganze Karneval begann ja schon bei der Niederlage in Mainz als Sportvorstand Christian Heidel seinen Rücktritt erklärte. Humba, humba, humba tätärääh ! Jetzt war niemand mehr da, der Tedesco die Leviten hätte lesen können.
Im Mai, als Schalke noch Vizemeister wurde, feierten die Fans ihn noch als Messias. Am letzten Samstag erlebte der Messias seinen Aschermittwoch ; die Kleider von Prinz Karneval wurden ihm ausgezogen. Dass er seinen Karfreitag vorzeitig erleben muss, ist wahrscheinlich. Wann und wo Tedesco seine Auferstehung feiern wird, steht in den Sternen.
Die Ultras von Schalke kreischen seit geraumer Zeit : Kreuzigt ihn ! Da sie seiner nicht habhaft werden, zwingen sie den Kapitän Stambouli, ihnen die Kapitänsbinde heraus zu rücken. Was ist das für ein Karnevalsverein, in dem « Fans » in den Innenraum vordringen können und sich vor dem Kapitän aufplanzen dürfen ? Das ist ein Verein, in dem jeder Ordnungssinn verloren gegangen ist.
Was ist das für ein Karnevalsverein, der sich verpflichtet hat, ein Jahr lang die Kapitänsbinde mit der Aufschrift « Nordkurve » zu tragen ? Ein Klub, der so vor den Ultras kuscht, braucht sich nicht zu wundern, wenn die Mannschaft nur noch wie ein Elferrat wirkt, der singt : « Wollen wir ihn reinlassen ? » Den Ball ins Tor, den Trainer auf die Bank, den Sportvorstand ins Büro ?
Der neue Sportvorstand sollte am ersten Arbeitstag den Trainer entlassen oder ihm das Vertrauen aussprechen. Am ersten Arbeitstag ! Noch so eine Narretei. Die hat der Aufsichtsrat des Karnevalsvereins am Rosenmontag in einer humorlosen Sitzung verhindert. Tedesco – übersetzt : der Deutsche -, der sich « nie verpisst », sonden bis zur letzten Patrone kämpft, darf noch ein Spiel weiter machen. Mindestens.
Hätte Tedesco nach seinem grandiosen Debüt allerdings nicht die Hochnäsigkeit eines Italieners sondern die Demut eines Deutschen gehabt, hätte er die Achse der Mannschaft (Benedikt Höwedes, Naldo, Ralf Fährmann), die plötzlich alle nicht mehr gut genug für ihn waren, nicht zerstört Die drei haben sich für den Verein zerrissen, nicht für den Trainer. Die heute über den Platz stolpern, wissen gar nicht, was der « Mythos Schalke » bedeutet. Tedesco hat's vielleicht auch nie verinnerlicht. « Einmal Prinz zu sein » - diesen (Kölner) Karnevalstraum hat er sich im Mai erfüllt. Jetzt steht er da wie der Ritter von der traurigen Gestalt – trotz allem smarten Auftretens.
Rainer Kalb
