Der Schoß ist fruchtbar noch

Es gibt in der Spielphilosophie eine Theorie, wonach sich aus dem Fußball heraus die Entwicklung der Gesellschaft voraussagen lässt. Die Begründung dieser interessanten These: Fußball sei im Raum (Spielfeld) und in der Zeit (90 Minuten) viel begrenzter als die Gesellschaft, in der sich alles viel langsamer, zäher, unsichtbarer vollziehe. Ein Foul wird gesehen und vom Schiedsrichter geahndet. Im politischen und gesellschaftlichen Bereich sind Fouls meistens nicht direkt sichtbar und die Demokratie kennt keinen Schiedsrichter, sondern nur unendlich langwierige Verfahren.

Wer dieser Überlegung folgt, dem muss bei den Vorgängen beim Chemnitzer FC  Angst und Bange um Deutschland werden. Beim Auswärtsspiel bei Bayern II haben Chemnitzer Rechtsradikale  den Sportdirektor Thomas Sobotzik – früherer Bundesligaspieler, gebürtiger Pole – als „Judensau“ beschimpft. Und sie haben angesichts des entlassenen Kapitäns Daniel Frahm, der Anfang August wegen seiner Nähe zum Rechtsextremismus gefeuert wurde, gegrölt:  „Daniel ist wenigstens kein Neger!“

Was tat der Schiedsrichter? Nichts Offensichtliches. In Frankreich hätte er das Spiel abgebrochen. In Italien zumindest unterbrochen. Ein Spielabbruch hätte ein Zeichen gesetzt, ja, aber der Chemnitzer FC ist eh schon am Ende – sportlich wie finanziell. Nur die Krakeeler – die leben noch.

Insolvenzverwalter Klaus Siemon hatte noch ein Bündnis gegen Rechts geschmiedet, aber das bröckelt. Sobotzik und Trainer David Bergner haben entnervt hingeschmissen. Und wenn das Amtsgericht angesichts der Insolvenz demnächst einen Notvorstand einsetzen muss, darf man gespannt sein, wer noch bereit ist, dem Mob die Stirn zu bieten. Kapitulation vor Rechts.

Chemnitzer Lokalpolitiker ducken sich weg. Der DFB schwurbelt von „komplexen Problemstellungen, die sich nicht kurzfristig lösen lassen.“ Der oberste Fußballfunktionär im Nordosten, Erwin Burger, ließ verlauten, einen Ausschluss des CFC aus dem Ligabetrieb (also auch aus der Kreisklasse, nicht nur Zwangsabstieg) hielte er für „überzogen“. Warum eigentlich?

Bleibt abzuwarten, ob die Gegner mal Spiele in Chemnitz boykottieren und sagen: „Für solche Fans spielen wir nicht.“ Aber so viel Zivilcourage und Solidarität ist im Fußball eher ungewöhnlich. Hat sich ja keiner umgebracht (wie einst Robert Enke). Hätten nicht die Bayern-Fans, die sonntags ihren Julius Hirsch rühmen, lautstark dagegen halten müssen? Wer will schon richten.

Ach so: Wie sehr die Spielphilosophie Recht hat, wie weit sich Rechts schon wieder klammheimlich (und nicht offensichtlich wie die AFD) in die Institutionen gefressen hat, zeigen folgende Beispiele aus der letzten Woche. Da wurde in einem Dorf in Hessen ein NPD-Mann von seinen „Kollegen“ aus CDU, SPD und FDP zum Ortsvorsteher gewählt.  Ganz demokratisch.

Auf einer Polizeischule haben sich 20 Schüler seit einem Jahr (5840 lange Fußballspiele ohne Pause) per whatspp rassistische, antisemitische und menschenverachtende Witze zugeschickt. Und keiner hat’s gemerkt. Ist Fußball trotz Video-Schiedsrichter nicht herrlich direkt?

Sechs Polizeischüler müssen gehen, dürfen aber ihre Abschlussprüfung noch machen (Fürsorgepflicht). 14 werden demnächst auf Streife geschickt, als Freund und Helfer – bestimmt auch für Juden.

Bertolt Brecht, deutscher Dichter, schrieb es nach dem Nazi-Terror schon vor Jahrzehnten und hat immer noch Recht: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.“

 

Rainer Kalb

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