Verantwortungslos

Der Sport hat sich schon immer seine eigenen Regeln gegeben und sich für autonom erklärt. Er hat seine eigene Gerichtsbarkeit, was seinen guten Grund hat. Wenn jedes Verfahren über eine Rote Karte sich vor einem Amtsgericht über Monate hinziehen würde, Tabellen schief würden, Spiele wiederholt werden müssten, wäre das kein Sport mehr, sondern Chaos.

Insofern ist es richtig, wenn Vereine, die mitspielen wollen, sich der Autorität der Sportgerichtsbarkeit unterwerfen, sich verpflichten, ihre Urteile anzuerkennen und auf den Zug vor staatliche Gerichte zu verzichten. (Doping ist ein anderer Fall, denn hier liegen strafrechtliche Verbrechen vor, keine zivilrechtlichen Streitigkeiten).

Drittligist Carl Zeiss Jena nun will aber den Deutschen Fußball-Bund vor den Kadi zerren. Der Verein war zu 24.900 Euro Strafe verurteilt worden, weil seine Fans Pyro-Technik abgebrannt hatten. Der Verein argumentiert jetzt oberschlau : « Keine Strafe ohne Schuld. »

Pardon, meine Herren von Carl Zeiss : Da scheint der Blick nicht genügend geschärft zu sein, obgleich das Augenglas (gemeinhin : Brille) doch untrennbar mit Ihrem Namen verbunden ist. Muss es nicht heißen : Keine Schuld ohne Strafe ? Es war schließlich eine hochphilosophische Auseinandersetzung bis der Bundesgerichtshof entschied, dass ein Verein, der zudem Hausrecht hat, die Verantwortung für seine Besucher (« Fans ») zu übernehmen hat. Das geht inwischen ja so weit, dass Werder Bremen zusätzliche Polizeikosten für « Hochsicherheitsspiele » zu tragen hat. Da sollte Jena mal still vor der eigenen Haustür kehren.

Bei Spielen im Juli und August 2018 gegen Großaspach und Union Berlin (Pokal) wurden mehr als 50 Feuerwerkskörper von Jena- »Fans » abgebrannt. Hinzu kamen auch « Nebeltöpfe » in Braunschweig, die eindeutig der Jena-Szene zuzuordnen waren. 

Über Schuld und Sühne ist hier nicht zu richten, sondern über Verantwortungslosigkeit. Wie können bengalische Feuerwerke trotz Eintritts- und Ordner-Kontrollen in ein Stadion geraten – eine Frage, die sich auch die 1. und 2. Liga, und damit die DFL stellen muss ? Die Strafe für ein dreimaliges Vergehen ist selbst für einen Drittligisten milde, und wenn Carl Zeiss Jena deshalb Anwälten die Taschen füllt, um gegen den DFB zu klagen, statt in Fan-Projekte zu investieren, bleibt das Denken der Verantwortlichen ärmlich und beschränkt. 

Der Fußball betont spätestens seit Egidius Brun seine « gesamtgesellschaftliche Verantwortung ». Wenn Jena jener Meinung ist, keine Verantwortung für seine Fans zu haben, muss sich der Verein die Frage stellen lassen, ob der Klub nicht besser ohne Fans und Verantwortung kicken will – und damit letzlich den Volkssport Fußball tötet.

Da sind 24.900 Euro Strafe für Versagen bei Erfüllen von Pflichten wirklich ein Klacks, um nicht in den AFD-Jargon zu verfallen. Und Jena täte gut daran, das Geld an den Fußball zu bezahlen statt an Anwälte. Zumal es normalerweise noch der Strafminderung dient, falls Täter ermittelt werden. Darin sollte die Augenschärfe investiert werden – statt sich als David Prozesshansl gegen Goliath DFB profilieren zu wollen.

 

Rainer Kalb

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