Im Nebel

Ich bin vor 50 Jahren in der Nordkurve des Bökelbergs gestanden, Da, wo sich die Fans, die keinen Sitzplatz bezahlen konnten, versammelten. Der Schlachtruf „Ri –Ra – Ro – Netzer, Vogts und Co.“ reichte. Später auch „Netzer, Vogts und Heynckes Jupp holen den Europa-Cup“ – wobei Cup lautmalerisch echt rheinisch und nicht britisch ausgesprochen wurde.

Wir brauchten keine Bengalos. Fans aus Aachen oder Köln wurden mal einen glitschigen Lehmhügel herab geschubst, aber den Gegnern Feuer mit 2000 Grad entgegen zu schleudern? Das lag jenseits aller Vorstellungskraft.

Ich war am 13. November 2015 in Paris im Stadion beim Freundschaftsspiel Frankreich – Deutschland, als zwei Böller das Stadion erzittern ließen. „Haben die Ordner bei den Eingangskontrollen aber wirklich alle Augen verschlossen“, habe ich noch gedacht. Später stellte sich heraus, dass zwei Bomben hochgegangen waren, Sieben insgesamt in Paris, 130 Tote, Eine hätte ins Stadion geschmuggelt werden sollen. Dann hätte es wohl „Adieu“ geheißen – Näher mein Gott zu Dir.

Bengalische Feuer im Stadion sind ein Unding. Aber die Klubs brauchen angeblich die Ultras ja, und so werden Kontrollen eher lasch als gründlich durchgeführt, Räume im Stadionbereich zur Verfügung gestellt und alle Videokameras erkennen so gut wie nix. Es nebelt schließlich. Und bei  den runden Tischen wendet sich jeder den Rücken zu.

Am Wochenende gab es den typisch deutschen faulen Komprormiss, als in Hamburg mit Ausnahmegenehmigung des DFB  zehn Rauchtöpfe unter Anleitung von Abbrennexperten und unter Aufsicht der Feuerwehr abgezündelt werden durften. War eher steril. Wie es richtig abgeht, zeigten später die Fans von Dortmund in Leverkusen, die das Stadion minutenlang in Rauch und Nebel hüllten, so dass selbst Sky überlegen müsste, ob nicht Regressanforderungen an die DFL bezüglich der Fernsehgelder gestellt werden sollten, weil minutenlang nichts zu sehen war.

Wie sollte Auswüchsen begegnet werden? Es gibt das spezielle Kirchenrecht, es gibt das spezielle Sportrecht, es gibt das staatliche Zivilrecht, es gibt das staatliche Strafrecht. Einerseits wird im Sportrecht härter gestraft als im Strafrecht. Wer glatt Rot sieht kann mit mehreren Wochen Berufsverbot belegt werden. Vor einem staatlichen Gericht würde er höchstens auf Bewährung verurteilt, also quasi frei gesprochen.

Es bedürfte einer engeren Zusammenarbeit zwischen Staat und Vereinen. Es geht nicht um die Kosten von Polizeieinsätzen. Es geht darum, dass es in jedem Stadion einen Staatsanwalt gibt, der Feuerwerker und Rassisten für vier Tage im Schnellverfahren weg sperren kann. Dann müssten die ihrem Arbeitgeber ihr Fehlen am Arbeitsplatz erklären. Das wäre bitterer als ein Stadionverbot, das sowieso unterlaufen wird,

Ein Letztes: In Frankreich ist der Verkauf von Feuerwerkskörpern verboten. Silvester gibt es nichts, und die Sause am 14. Juli zum Nationalfeiertag ist allüberall vom Staat organisiert, aber nie  privat. Wo, also bitte, erhalten die Ultras das Jahr über ihre Bengalos her? Gäbe es da nicht Quellen auszutrocknen?

 

Rainer Kalb

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