Gerd Müller 75

Mein letztes Gespräch mit Gerd Müller ist schon weit über 20 Jahre her. Es fand auf der Terasse des Bayern-Restaurants am Trainingsplatz stand. Müller hatte widerwillig zugestimmt : « Eigentlich hab' ich ja nichts zu sagen. » Er war damals Jugendtrainer beim FC Bayern, und es ging um die Idee der UEFA, die Jugendmannschaften der in der Champions League startenden Klubs mit in die Chartermaschine zu setzen, um sie nachmittags beim Spiel gegen den Nachwuchs des Gegners bereits « internationale Erfahrung » sammeln zu lassen.

Müller hielt nicht viel von der Idee. « Die sollen im Verein trainieren, sich auf nationalem Niveau durchkämpfen , statt durch die Weltgeschichte zu reisen », meinte er sinngemäß ; die wörtliche Aufzeichnung des Gesprächs besitze ich nicht mehr.

Fliegen war sowieso nicht sein Thema. Gerd Müller war von Flugangst befallen. Ein Münchner Kollege, der ihn Zeit seiner Karriere begleitete, behauptete in geselliger Runde unter Kollegen, Müller habe, um diese Flugangst zu betäuben, auf Europapokal-Flügen bei der Stewardess immer alkoholische Getränke geordert, was, bei den Erfolgen der Bayern, auch seine spätere Abhängigkeit erklären könnte.

Als Reporter habe ich den Spieler Müller nie erlebt. Als Fan schon. 1972 – ich hatte gerade mein Abitur gemacht – bin ich als 18-jähriger von einem Dorf in der Nähe von Mönchengladbach aus nach Brüssel getrampt, um das EM-Finale Deutschland – Russland in Brüssel zu erleben. 

Borussia-Schal umgeworfen, Daumen rausgestreckt, keine Mühe, um ins Heysel-Stadion zu kommen. Viele, die ein Auto besaßen, waren unterwegs, um Netzer, Wimmer und Heynckes zu sehen – aber Müller schoss zwei Tore beim 3:0 gegen die Sowjetunion.

1974 sind meine Familie und ich einige weite Kilometer zu Bekannten gefahren, um das Finale zu genießen, denn die besaßen schon einen Farbfernseher. Na gut, Müller spielte in schwarz-weiß, aber der Rasen war grün. Und wie dann der Borusse Rainer Bonhof den Pass von rechts ein wenig zu sehr nach hinten spielt, in den Rücken von Müller, der zurücklaufen muss, sich dreht und trifft : Das war einmalig. Das kommt nicht wieder. Das war zu schön, um wahr zu sein.

Bei unserem Gespräch – Müller hat sich eine Apfelsaftschorle bestellt, nimmt sich also Zeit – reden wir auch über die seinerzeit aufkommende « falsche Neun ». Diese Taktik hätte ihm nie behagt, wäre sie zu seiner Zeit Mode gewesen, sagt er mit Überzeugung. Er wäre immer ein Strafraumspieler gewesen, drei Sekunden zum überlegen wären zu viel gewesen. Dann hätte es nicht so oft « bumm » gemacht (der Titel seiner einzigen Schallplatte, die aber lichtjahreweit nicht an seine Torjägerqualitäten heran reicht). 

Aus dem Mittelfeld anlaufen ? Nichts für ihn und seine kurzen Beine. Hat er je ein Foul mit einem « langem » oder « gestrecktem » Bein begangen ? Die Archive geben nichts her. Auch nichts darüber, welcher (Boulevard)-Journalist den Kose-Namen « Bomber der Nation » erfunden hat.

Denn so lange Gerd Müller nicht vom Raub des Gedächtnisses und Wissens durch Alzheimer aus dem Alltagsleben getrieben wurde, war er alles andere als aufbrausend, zerstörend. Er war bescheiden, zurückhaltend. Nie wäre er einer der vielen « Experten » geworden, die heute die Mattscheibe überfluten. Er überflutete mit Toren.

Der heutige Stürmer-Trainer des FC Bayern, Miroslav Klose, hat mehr Länderspiel-Tore als Gerd Müller erzielt. Er brauchte für 71 Tore in der Nationalelf 137 Spiele, Müller für 68 Tore nur 62. Klose, nicht resignierend, sondern entwaffnend ehrlich : « Eine Vergleich braucht man nicht zu machen. »

Eine Würdigung im letzten DFB-Journal, immerhin das offizielle Organ des Deutschen Fußball-Bundes, endet mit zwei Sätzen, denen nichts hinzuzufügen ist : « Wenn es einen Fußballgott gibt, dann hat er eines Tages einen deutschen Mittelstürmer in seinem Team. Den allerbesten ! »

 

Rainer Kalb

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