Unter dem Wust von aktuellen Meldungen ist eine Nachricht fast untergegangen, die aufhorchen lässt: Werder Bremen verhandelt mit dem italienischen Rekordmeister Juventus Turin, um deren Ausbildungsverein zu werden.
Was zunächst als Scherz zu Beginn der Karnevalszeit erscheint, gewinnt beim näheren Hinsehen Konturen – zumal die Norddeutschen grundsätzlich nicht viel von Fasching halten.
Die Vereine schätzen sich, seitdem sie sich 2006 im Achtelfinale der Champions League begegnet sind. Juventus kam nach einem 2:3, 2:1 wegen der Auswärtstore weiter, lernte aber die Ausbildungsarbeit bei Werder schätzen.
Heute hat Juvntus 40 Spieler unter Vertrag und Werder Bremen spielt nicht mehr in der Champions League. Natürlich könnten sich die Hanseaten auch bei Hoffenheim bedienen, wo auch über 30 Spieler herumlaufen und finanziert werden wollen – einschließlich eines Herrn Wiese. Dass Manager Thomas Eichin sich da lieber nach Italien orientiert, ist nachvollziehbar.
Vor Jahren noch hat Klaus Allofs massenweise für billiges Geld Rohdiamanten gefunden, die Thomas Schaaf zu Juwelen schliff. Es ist müßig darüber zu diskutieren, ob die Bremer Konkurrenz ihre Talentsichtung verbessert hat oder Allofs schlechter wurde – jedenfalls hat Werder zum Schluss Millionen in den Sand gesetzt und Allofs floh dort hin, wo Geld keine Rolle spielt.
Nachfolger Thomas Eichin – als Manager der Kölner Haie im Eishockey an kleine Zahlen gewohnt –soll nun Werder wieder mit nichts an die Geldtöpfe der UEFA führen. Juve ist es leid, potenzielle Top-Spieler unter Vertrag zu haben, die sich, wenn sie in die 2. italienische Liga ausgeliehen werden, nicht weiter entwickeln. Da erscheint ihnen das deutsche Ausbildungssystem besser. Nebenbei ein Kompliment an die Deutsche Fußball Liga.
In den deutschen Profivereinen wird der Nachwuchs bis zum Alter vn 23 für Fußball und Beruf fit gemacht, in Italien nur bis 19. Dnn klaft ein Loch.
Der SV Werder als Ausbildungsverein für Juve? Es ist natürlich allemal interessanter, einen von den 40 Juve-Spielern unter Vertrag zu nehmen als einen von den rund drei Dutzend aus Hoffenheim. Dennoch stellen sich vor solchen Geschäften verzwickte Fragen. Erhält Werder Geld für die Ausbildung oder müssen die Bremer einen Transfer bezahlen? Wer zahlt das Gehalt wenn es in Italien netto höher ist als in Deutschland?
Darf Werder einen interessanten Spieler behalten oder muss er nach zwei, drei Jahren zu Juventus zurückkehren? Wer darf einen Spieler an einen dritten Verein verkaufen?
Fragen über Fragen. Ein normaler Transfer ist einfacher. Gehalt aushandeln, Laufzeit festschreiben, Preis überweisen, fertig. Aber was ist in Bremen nach dem 2:3 gegen Mainz und angesichts des Tabellenstandes noch einfach? Da muss ein Manager schon um die Ecke denken.
Rainer Kalb