Angela Merkel war nicht immer ein Fußball-Fan. Noch vor ihrem Amtsantritt im November 2005 wirkte sie bei ihren ersten Auftritten bei Länderspielen eher verloren. So im Juni 2005, als sie aus Anlass des 60. Geburtstages von Theo Zwanziger beim Länderspiel in Mönchengladbach gegen Russland eine Rede zu Ehren des Jubilars, damals DFB-Präsident, hielt.
Sie schien nicht so recht auf die Fußball-Bühne zu passen. Aber Angela Merkel wäre nicht Angela Merkel, hätte sie nicht Anpassungsfähigkeit gezeigt. Das Sommermärchen 2006 erlebte schon eine ganz andere Bundeskanzlerin. Sie war fester Bestandteil bei den WM-Spielen auf der Haupttribüne, jubelte mit dem deutschen Team, zeigte Emotionen. Fortan war Merkel als Edelfan fester Bestandteil bei wichtigen Auftritten der DFB-Auswahl.
Im Oktober 2010 rauschte die Kanzlerin nach dem 3:0 gegen die Türkei sogar mit ihrer Entourage in die Kabine des Berliner Olympiastadions, drückte dem halbnackten und sichtlich überraschten Mesut Özil die Hand. Merkel im Dunstkreis der deutschen "liebstes Kind" - das kann nicht verkehrt sein. Es geht ja um Wählerstimmen.
Und auch im Vorfeld des WM-Qualifikations-Doppelpacks gegen Kasachstan suchte die Kanzlerin wieder die Nähe zum Team des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Montag vor einer Woche trafen sich Merkel, Bundestrainer Joachim Löw und Teammanager Oliver Bierhoff im Berliner Stadtteil Charlottenburg zu einem Gedankenaustausch. Angeblich drei Stunden lang parlierte Merkel mit den leitenden DFB-Angestellten.
Zu gern hätte man Mäuschen gespielt, wenn Löw der Angie erklärt, wie man vielleicht bei der WM 2014 in Brasilien mit einer "falschen 9" zu spielen gedenkt, weil möglicherweise die Uhr der "Keilstürmer" Miroslav Klose und Mario Gomez abgelaufen ist. Oder warum ein Bayern- und BVB-Block die besten Vorzeichen für eine erfolgreiche Nationalmannschaft ist. Schließlich trumpften beispielsweise die Deutschen mit jenem legendären Block aus Bayern- und Gladbach-Stars 1972 beim EM-Triumph, aber auch zwei Jahre später beim WM-Titelgewinn groß auf.
Vielleicht hat Angie auch Ratschläge parat, wie der DFB künftig sparen kann, zum Beispiel bei den Quartieren für die WM in Brasilien. Muss es denn immer die Nonplusultra-Luxus-Hotel-Ausführung sein? Geht es nicht eine Nummer kleiner? Auch der kleine Mann muss ja in der heutigen Zeit den Gürtel enger schnallen. Tipps kann die Kanzlerin, von der Euro-Krise gestählt, bestimmt geben. Vielleicht wäre es nicht schlecht gewesen, DFB-Schatzmeister Horst R. Schmidt mit einzubinden.
Aber auch so dürfte der Gedankenaustausch fruchtbar gewesen sein. Und möglicherweise konnte die Regierungschefin ihrem Jogi auch den einen oder anderen Hinweis geben, welches Verhalten in Krisensituationen am besten ist. Wichtig auf jeden Fall, nicht zu schnell entscheiden. Lieber den einen oder anderen Ballon steigen lassen, die Lage peilen und dann in aller Ruhe Nägel mit Köpfen machen.
Und auch personell hat Merkel große Erfahrung, sie muss ja auch das Kabinett bei Laune halten - ähnlich wie der Bundestrainer seine Nationalspieler. Und Querdenker in der Regierungsbank soll es ja auch geben, ebenso wie im Fußball. Die Kanzlerin hat in dieser Beziehung ihren Laden ebenso gut im Griff wie der Jogi. Und der muss sich ja schon seit geraumer Zeit nicht mehr mit einem Capitano (Michael Ballack) rumschlagen, sondern hat in Philipp Lahm einen überaus loyalen verlängerten Arm an seiner Seite.
Wie ist eigentlich das Verhältnis der Kanzlerin zu ihrem Stellvertreter Philipp Rösler vom Koalitionspartner FDP? Ob Jogi geraten hat, mal ab und zu alte Zöpfe abzuschneiden? Bundestagswahlen sind ja am 22. September.
Und mit Peer Steinbrück konnte es die Angie doch ohnehin schon immer ganz gut..
Rainer Kalb