Oben, wenn es Fotos gibt, nehmen FIFA-Präsident Sepp Blatter und UEFA-Präsident Michel Platini sich gerne in den Arm und beteuern warmherzig vor den Kameras, ihnen liege nur das Wohl des Fußballs am Herzen. Unten aber, wo die breiten Tischdecken die Tischseiten überlappen, da treten sie sich unbemerkt von der Fußball-Familie schon mal gerne kräftig vors Schienbein. Angeblich sollen beide bei solchen Verhandlungen schon Schienbeinschoner tragen.
Hatte nicht Blatter auf dem UEFA-Kongress 2010 in Paris als Gastredner angekündigt, 2011, seine vierte Amtszeit, sei definitiv seine letzte?
Dann bietet er Platini ein Gentlemen-Agreement an, sich erst nach der WM in Brasilien zu Kanditaturen zu erläutern. Dann tritt er in der Weltstadt Mönchengladbach im „Haus der Erholung“ – der richtige Ort für einen 77-Jährigen – an, um über “soziale Verantwortung des Fußballs“ zu schwafeln. Und diese beherrscht natürlich keiner wie er.
Er will wieder kandidieren, wenn die Verbände ihn darum bitten. Diese „Bitten“ habe ich mehrfach als Augenzeuge mit erlebt. Da melden sich Delegierte aus der Karibik, Ozeanien und Schwarzafrika zu Wort und
fragen: „Mister President, wenn Sie wiedergewählt werden, bleibt es dann bei der eine Million Dollar Unterstützung für unsere Verbände?
Bleibt es bei der Entwicklungshilfe? Bleibt es bei Sonderzahlungen in Notlagen?“ Und Blatter antwortet: “Wenn Ihr mich bittet, Euer Präsident zu bleiben und mich dann wählt, dann wird es sogar noch mehr geben, weil die FIFA unter mir noch reicher geworden ist.“
Jetzt ist UEFA-Präsident Michel Platini der Kragen geplatzt.
Ungewöhnlich aggressiv hat er angeündigt: “Ich bin der einzige, der Blatter schlagen kann.“ Und ungewöhnlich aggressiv hat er letzte Woche auf dem Kongress in Astana/Kasachstan ein neues Format verabschieden lassen, das sich UEFA Nations League nennt.
Interessant daran: Die 54 Verbände, die in vier Divisionen um Auf- und Abstieg spielen werden, kennen das genaue Format noch nicht einmal.
DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, gleichzeitig Vorsitzender der Nationalmannschaftskommission, hat auch schon eingeräumt, dass Deutschland diese Nationalmannschaftsliga eigentlich nicht brauche, aber „Hoch - die - internationale Solidarität!“
Es ist wohl das erste Mal, dass in Europa ein Wettbewerb eingeführt wird, von dem vorher die Spielregeln noch nicht feststehen, sondern nur verschrobene Ideen im Raume stehen. Das zeigt eins: Platini will internationale Freundschaftsspiele unmöglich machen, weil jedes europäische Land in einer der vier Divisionen antreten muss- denn gegen mehr Termine für die Nationalmannschaft würden alle Vereine Sturm laufen.
Sollte Blatter wieder gewählt werden, wäre er ein König ohne Land.
Soll er sich doch um Asien, Afrika, Ozeanien kümmern – die Fußball-Musik spielt in Europa, und damit bei der UEFA, sprich Platini.
Und sollte Platini dann noch auf die Idee kommen, Argentinien und Brasilien als Teilnehmer per Wild Card zur EM einzuladen – so wie das in Mittel- und Südamerika längst der Fall ist – dann wäre Blatter trotz Kandidatur und Millionen und WM das Schienbein gebrochen.
Deutschland – Argentinien gibt es noch einmal am 3. September in Düsseldorf. Und dann gibt es außer europäischen Gegnern lange Zeit keinen anderen Augenschmaus mehr.
Rainer Kalb