Lesefehler

Wer immer auch die letzten Einlassungen des Fleischfabrikanten und Aufsichtsratsvorsitzenden vom FC Schalke 04, Clemens Tönnies, zur Kenntnis genommen hat, dem ist, bei einem Minimum an klassischem Musik-Interesse, folgender Refrain aus dem Zigeunerbaron von Johann Strauß eingefallen:

„Ja, das Schreiben und das Lesen,

Ist nie mein Fach gewesen,

Denn schon von Kindesbeinen

Befasst' ich mich mit Schweinen.“

Neuerdings, wie aus einem Interview mit dem Kölner Stadtanzeiger hervorgeht, auch mit Rindern. Die Schweine gehen aus. Das Fleisch muss bleiben.

Die Begriffsverbindung Lesen und Schreiben betrifft zunächst einen jahrelangen Rechtsstreit mit Verwandten, die den Sportteil einer bayerischen Zeitung nichts angeht. Sie betrifft aber auch eine fußballerische Zahlenakrobatik des Herrn Tönnies, der am Leseverstand des steinreichen Mannes Zweifel aufkommen lässt.

Der Mann interpretiert sein Lesevermögen so: Weil in England die TV-Honorare ins Unermessliche wachsen, muss Schalke 5o Millionen mehr bekommen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Wenn also 18 Bundesliga-Vereine so denken, müssten das 900 Mio. mehr sein. Aus TV-Gebühren? Von SKY? Sponsoren? Zuschauereintritt?

Wie viele Schnitzel will Herr Tönnies eigentlich noch aus Schweinen, Rindern oder Kälbern filetieren? Meine Herren, dann muss es eben mal wieder Sekt statt Champagner sein. Schnauze voll, kapiert?

Der zweite Lesefehler: Die Bundesliga hat sich, und dieses sei ausdrücklich betont, auch dank Schalke und nicht trotz Schalke für die nächsten drei Jahre mindestens vier Startplätze in der Champions League gesichert. Und selbst wenn England noch einmal 200 Millionen mehr einnimmt, werden sie nicht mehr als vier Plätze bekommen. Und wenn Vereine 50 Mio mehr brauchen, um Spieler zu bezahlen, die helfen, um im Achtelfinale acht Millionen einzunehmen: auch die Engländer können nicht mehr als elf Schnitzel aufstellen. Und seit wann macht eine Schweinezüchter Verluste mit Haxen?

Bleibt Lesefehler Nummer drei: Schalke bleibt ein e.V., wird nie eine AG wie der FC Bayern. Dafür möchte Tönnies noch Millionen bei seinen Schweinchen einsammeln, die eh schon ausgenommen werden. Beim Kampf Schweinebaron gegen Würstchenfabrikant will der Baron nicht wahr haben, dass Würste mehr Scheine machen als Schweine.

Soll Tönnies sich doch mal mit einem Schalke-Zylinder vor den Kölner Dom oder (geheizt) in den Dortmunder Hauptbahnhof setzen und um einen Euro für Schalke betteln. Wie viele „Freunde“ er dann wohl hat, die ihm tausend Euro oder mehr spenden?

Wer vor jedem Anpfiff das „Steiger-Lied“ (altes Bergmanns-Lied) singen lässt, sollte die Kumpels und Knappen ( = Lehrlinge) nicht verachten. Die haben keine 1000 Euro netto, um mal eben Schalke zu retten. Unter Tage gibt es keine Zigeuner-Barone mit (laut Operette) 5000 Schweinen. Da gibt es nur Arbeit. Glück auf!

 

Rainer Kalb

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