Der Name ist Programm. Nomen est Omen, wie die katholische Kirche zu sagen pflegt.
Martin. Der heilige Martin, von Ungarn über Italien nach Frankreich gewandert und in Tours begraben, hat wandernd nie so viele Kilometer zurückgelegt wie ein Diesel von Volkswagen. Selbst die Tour de France gab es seinerzeit noch nicht. Doch der Heilige hatte ein Gespür von Demut. Als er gestorben war, haben ihn Gläubige 40 Kilometer auf einer Barke die Loire flußauf gezogen. Es gab noch keinen VW-Diesel.
Sankt Martin hat in Amiens seinen Mantel mit einem Bettler geteilt. Wird Martin Winterkorn, der 16 Millionen Euro pro Jahr bekam (verdient hat?), sein Vermögen auch teilen?
Am letzten Freitag sollte Herr Winter-Korn mit einem neuen Zwei-Jahres-Vertrag seine Ernte einfahren. Stattdessen stürzte der Winter auf ihn ein, der goldene Spätsommer war vorbei, und alles erfror.
Das bräuchte hier kein Thema zu sein, ginge es nicht auch um den VfL Wolfsburg. Egal, ob sich der Optimismus von Klaus Allofs bewahrheitet und alles unter dem neuen Chef, der leider nur Müller heißt, aber nicht Gerd oder Thomas, weitergeht: Nichts wird so weiter gehen wie bisher. Zumal Müller im Gegensatz zu Winter-Korn kein ausgewiesener Fußball-Fan ist.
Wenn ein Konzern Milliarden an Strafe bezahlen muss, wenn eine Reparatur an elf Millionen Autos bezahlt werden muss, wenn Schadenersatz zu begleichen ist, wenn der Absatz einbricht, wenn Zulieferer leiden, wenn dann in Konsequenz Leute entlassen werden: Was glaubt denn Allofs, auf welchem Planeten er lebt?
Der VfL muss mindestens den halben Mantel abgeben, um bei den Fans noch eine Daseinsberechtigung zu haben. Selbst in der Champions League kehren sie ihm schon fast zur Hälfte den Rücken zu. Und neuen Profis wird empfohlen, lieber nach Braunschweig zu ziehen als in die Retortenstadt.
Ein Deutscher Fußball-Bund (DFB) und eine Deutsche Fußball Liga (DFL) haben gut daran getan, die 50 +1-Regel durch zu boxen. Wonach der Verein – und damit die Mitglieder – immer die Mehrheit am Klub haben. Wie schnell ein werksabhängiger Verein mit in einen Strudel gezogen werden kann, wird sich am Beispiel Wolfsburg zeigen.
Die Ausläufer des Tiefs Volkswagen erreichen auch den FC Bayern. Nicht, weil Mitbetrüger Audi knapp zehn Prozent der Profiabteilung des Rekordmeisters besitzt. Sondern weil Martin Winter-Korn auch einen Sitz – ach Quatsch, einen Sessel mit Armlehnen - im Aufsichtsrat des FC Bayern hat. Wie will einer, der schon bei VW angeblich nichts mitbekommen hat, beaufsichtigen, was beim FC Bayern so läuft?
Der ehrenwerte Karl Hopfner wies darauf hin, dass Martin Winterkorn als Privatperson im Bayern-Aufsichtsrat sitze und nicht als VW/Audi-Vertreter. Dieses Netz ist jedoch zu fein gesponnen, als dass es nicht reißen könnte. Ein Uhrenschmuggler und ein Steuerhinterzieher sind beim FC Bayern noch zu ertragen. Einer, der für elf-millionenfachen Betrug zumindest moralisch verantwortlich ist, auch noch? Als Privatperson? Die Frage wird gestellt werden dürfen.
Rainer Kalb