Völler und Jansen

Rudi Völler, früher einmal Teamchef der Nationalmannschaft, heute Sportdirektor bei Bayer Leverkusen, ist für seine gelegentlichen Wutausbrüche bekannt. Sein Ausfall nach einem Länderspiel gegen den Reporter Waldemar Hartmann ist legendär. 

Jetzt hat Völler wieder eine Attacke geritten. In bester Trapattoni-Manier („Was erlaube Struuunz?“) kritisierte Völler den früheren HSV-, Bayern- und Mönchengladbach-Spieler Marcell Jansen. Im Aktuellen Sportstudio des ZDF sprach er ihm das moralische Recht ab, mit 29 Jahren seine Profi-Karriere zu beenden.

Die Frage sei erlaubt: Mit welchem Recht nimmt sich Völler das Recht? Wenn eine enger Mitarbeiter von Frau Merkel wie Herr Pofalla seine politischen Kontakte nutzt, um plötzlich und unerwartet zur Deutschen Bahn zu wechseln, lässt sich öffentliche Kritik daran verstehen. Wenn aber jemand nach zwölf Jahren Profifußball sagt, er suche sich einen neuen Job, ist ihm das nicht zu verdenken. Viele Menschen wechseln viel schneller die Branche.

Es wird das Geheimnis von Völler bleiben, weshalb er von einem erwachsenen Menschen, den er kaum kennt, verlangt, dass er muss, wenn er noch kann. Als Sportdirektor mag er von seinen eigenen Angestellten zwar einiges einfordern dürfen, aber die Lebensplanung eines Fremden zu kritisieren, steht ihm nicht zu. Wie viele Menschen bleiben nicht zwölf Jahre in ihrer Branche, sondern wechseln früher?

Das sinngemäße Argument von Völler, Jansen hätte spielen müssen, bis ihm keiner mehr ein Gnadenbrot gewähren würde, ist lächerlich. Jansen hat eben keinen Sportinvaliden beleidigt, indem er trotz aller noch vorhandenen Schaffenskraft aufhört.  Und er ist im Gegensatz zur Völler’schen Theorie, viele Jugendliche könnten jetzt erschrecken und abgeschreckt werden, eben ein Beispiel für Zivilcourage. 

Jansen hatte ja noch Angebote, hätte in den kommenden Jahren noch Millionen abstauben können. Aber einzuräumen, mit dem Kopf und dem Herzen nicht mehr dabei zu sein, bei Dienst nach Vorschrift nur 90 Prozent des Leistungsvermögens abrufen zu können und deshalb aufzuhören – das, ja das ist mutig.

Es muss Rudi Völler zu Gute gehalten werden, dass er noch ein Romantiker des Fußballs ist. Er wollte immer auf höchstem Niveau spielen, um zu zeigen, wie gut er ist. Sein Ding war der Ball und Partner, die auf seinem Level spielten und die Kugel auf perfekt gemähtem Gras rollen ließen. Die dreckigen Seiten des Profigeschäftes interessierten ihn zumindest 90 Minuten lang nicht. Wenn er spielte, war er ganz Mensch.

Friedrich Schiller, deutscher Dichter, hat geschrieben: „Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes ganz Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“

Wer will es Marcell Jansen verdenken, wenn er wieder Mensch sein will statt Fußball zu arbeiten?

 

Rainer Kalb

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