Frankreich ist die einzige Mannschaft unter den zumeist genannten vier Favoriten auf den WM-Titel, die am 1. Spieltag gewonnen hat. Zwar war das 2:1 gegen Australien nicht berauschend, aber dennoch tun sie jenseits des Rheins jetzt so, als sei ihnen der Himmel auf den Kopf gefallen. Das ist natürlich übertrieben ; drei Punkte sind drei Punkte.
Es stimmt, Nationaltrainer Didier Deschamps hatte die letzten drei (Test)Spiele mit einer Raute im Mittelfeld experimentiert, war zuzm WM-Auftakt aber wieder zum klassischen 4 – 3 – 3 zurück gekehrt. Es stimmt, dass die Anstoßzeit – 12 Uhr mittags – ungewöhnlich war. Es stimmt, dass ein Sportler bei 23 Grad schon einmal ins Schwitzen geraten kann, wenn er auch noch laufen muss. Aber das sind Ausreden, keine Erklärungen.
Das französische Problem liegt tiefer. Und da ist noch nicht mal die Jugend und die damit verbundene Unerfahrenheit das Problem (Frankreich stellte mit 24 Jahren, 6 Monaten die jüngste französische Mannschaft seit 1930 bei einem WM-Auftaktspiel). Das Problem ist : Die Equipe tricolore ist noch keine Equipe, noch keine Mannschaft.
Wer gesehen hat, wie Antoine Griezmann und Paul Pogba nach Ballverlusten oder Fehlpässen die Hände in die Hüften stemmten und zusahen, wie ihre Kameraden den Gegenspielern hinterher hechelten, verstand schnell, dass jeder der Spieler von Atletico, Chelsea oder Barcelona sich für einen Star hält, dem Drecksarbeit nicht mehr zuzumuten ist. Auch die Art, wie Griezmann in einem aufwändig von einer TV-Gesellschaft produzierten halbstündigen Video verkündet, dass er bei Atletico bleibt, ist einigen Mitspielern sauer aufgestoßen.
Die Spieler reden – falls sie reden – natürlich nur in verklausulierten Worten. Da ist die Rede davon, man müsse sich auf dem Feld einig sein, ob hohes oder tiefes Pressing gespielt werde. Da ist die Rede davon, die individuellen Qualitäten seien ja da. Und dann muss Deutschland herhalten.
Die seien schließlich auch immer nur mäßig in ein Turnier gestartet, um dann ab den K.O.-Spielen zu ihrer wahren Form aufzulaufen. Kleine Mannschaften aber würden gerade in das erste Spiel schon alles reinwerfen, weil sie, realistisch betrachtet, wüssten, dass die WM für sie nach drei Spielen schon beendet ist. Insofern sei Australien als Auftaktgegner eigentlich Pech gewesen.
Wie dem auch sei : Die wichtigsten Baustellen der Franzosen in den nächsten Wochen bleiben Siege. Schon Donnerstag gegen Peru. Die wichtigste Erkenntnis und Hoffnung: Da ist noch viel Luft nach oben. Nicht nur Macron und Merkel stehen verblüfft vor all den Parallelen zwischen Frnkreich und Deutschland.
Rainer Kalb