Als der Vierbeiner sich auf die Hinterbeine stellte und die Vorderhufe erhob, wurde er zum Menschen. Er hatte Hände. (Das Hirn lassen wir hier einmal angesichts der aktuellen Welt-Lage beiseite).
Mit den agilen Händen wurde der Mensch Goldschmied, Schriftsetzer oder er schulterte Zementsäcke. Die Hände waren das « Werkzeug », die Füße trugen nur. (Siehe Google, Film : « So weit die Füße tragen »). Irgendwann wollte der Mensch nicht nur von der Hände Arbeit leben, sondern auch spielen dürfen. Er erfand – natürlich auf einer Insel, wo auch sonst – ein Spiel, in dem sich die Menschen freiwillig fesselten, um einem Spiel zu frönen und der Last des Alltags zu entgehen. Der Mensch erfand den Fußball.
Zwei Jahrhunderte später hat Big Brother – die ewige Überwachung durch Digital-Kameras – die Freude am Spiel, die Flucht aus dem Alltag, zerstört. Häufig sind aber auch Funktionäre Schuld, die mit einem Kauderwelsch aus wie Kaugummi dehnbaren Formulierungen das Handspiel im Fußball so zerdehnen, dass die Erklärung des « Abseits » - was bisher Neu-Interessenten am TV-Fußball am schwierigsten zu erklären war – wie das Zeigen auf einen Vollmond wirkt. Gleiche Höhe ist kein Abseits. Aber Hand ?
Als Jungredakteur beim kicker sportmagazin hat mir mein Chefredakteur Karl Heinz Heimann selig für die Berichterstattung und Analyse von Spielen im kicker-Stil eingebleut : « Hand ist Hand, und es gibt kein absichtliches oder unabsichtliches Handspiel. Es gibt nur Hand. » Das war noch eine Ansage.
Seitdem haben FIFA, UEFA, DFB diese strikte und eindeutige Vorschrift zu Lasten der Schiedsrichter in dreideutige und noch mehr mehrdeutigere Interpretationen verwandelt. Verbreiterung der Körperfläche ? Hand zum Ball oder Ball zur Hand ? Absicht oder nicht ? Die Implantate in die Köpfe der Spieler zur Gehirnstrommessung werden denen in Köln, die dann den Schiedsrichter informieren, bald Auskunft geben.
Die Fußball-Regenten, die häufig nie auf dem Platz standen, mögen dem Offensiv-Fußball frönen. Aber wo soll denn ein Verteidiger seinen Schwung hernehmen, wenn er die Arme zum Schwungholen nicht ausbreitet ? Wieder ein Vierfüßler werden ? Also : Fußball abschaffen ??
Die derzeitige Interpretation der schwammigen Handspielregelung macht den Fußball kaputt. Der Mensch hat sich, um nach der Hände Arbeit spielen zu können, freiwillig Fesseln angelegt. In einem Spiel Fesseln sprengen geht nicht. Und deshalb ist Hand Hand. Egal, ob gewollt oder nicht. Gewollt, ob Körperfläche oder nicht. Das mag für Schwung holende Verteidiger ein Nachteil sein, wenn gewitzte Stürmer ihm absichtlich an die Hand schießen. Das ist moralisch verwerflich, gehört aber zum Spiel.
Heimann hatte Recht. Der Mensch will ein Spiel nach der Arbeit. Hand ist Hand. Und das Spiel nach der Arbeit ist Anerkennung für den Fuß. Sonst könnte ja jeder Hand-, Volley- oder Basketball spielen. Das hätte dann Hand, aber keinen Fuß.
Rainer Kalb