Oliver Kahn ist dafür, ich bin dagegen, aber Oliver Kahn wird Recht bekommen. Die Champions League wird ab 2024 auf 36 Teilnehmer statt 32 aufgebläht. Mal abgesehen davon, dass es mir egal ist, ob der Fünfte der Bundesliga oder der Meister von Liechtenstein auch noch in der Champions League spielt : Diese Reform ist Quark. Sie (zer)stört die Bundesliga.
Als normaler Fußball-Fan würdest Du denken : Dann machen sie eben ihre sechs Gruppen mit sechs Vereinen statt acht mit vier, dann haben die Klubs ihre zehn Gruppenspiele statt sechs, der FC Bayern wird immer reicher und die Bundesliga muss schauen, wie sie ihre 34 Spieltage noch unterbringt.
Aber nein : Die Geldgnome in der Schweiz, wo die UEFA sitzt und die Fränkli hortet, haben viel von Adam Riese gelernt, der im 16. Jahrhundert den Lehrsatz prägte : 2 + 2 = 4. Und sechs plus vier macht wie viel TV-Millionen und Zuschauer-Melkkühe ?
Doch nein, vorbei die einfache Rechnerei der Grundschule. Im heiligen Gral der UEFA sitzen nur Einsteins. Geniale Hirne, für unsereins nicht mehr zu verfolgen. Kein Hin- und Rückspiel mehr, zehn Gegner aus dem Lostopf von 35. Natürlich ausgewählt. Nicht aus dem eigenen Land, möglichst kein Top-Klub aus einer anderen Liga (man braucht ja noch Gegner in den K.o.-Spielen) und so weiter und so fort. Wird eine tolle « Auslosung ».
Sie nennen es das « Schweizer Modell », das leider auch Oliver Kahn befürwortet. Der Begriff stammt aus dem 19. Jahrhundert. 1895 erfand der Schweizer Lehrer Julius Müller ein Spielsystem für Schach, in dem aus Zeitgründen – ein Schach kann länger als ein Fußballmatch dauern - nicht mehr jeder gegen jeden spielen musste.
Das Müller-System der UEFA sieht nun so aus. Es gibt in Zukunft die Lotterie « 10 aus 35 » , weil Du ja nicht gegen dich selber spielen kannst. Es gibt kein Hin- und Rückspiel mehr, nur Heim- und Auswärts (vergrößert den Fernsehmarkt). Es gibt keine Gruppentabelle mehr, wie bisher, sondern nur noch eine gemeinsame. Toll was ?
Der Deutsche Meister wird nach 34 Spielen gegen alle Liga-Gegner nach Hin- und Rückspiel ermittelt. Die Achtelfinalisten der Champions League in Zukunft nach einer Bundesliga-Tabelle, die nach zehn von 70 eigentlich gerechterweise notwendigen Spielen entstanden ist. Diese Tabelle gibt keine Gruppenspiele wider, sondern wird ein Mischmasch aus den unterschiedlichsten Begegnungen sein. So, als würde der Deutsche Meister nach zehn Spieltagen, also einem knappen Drittel der Saison, gekürt.
Die ersten acht dieser Müller-Tabelle sind automatisch für das Achtelfinale qualifiziert. Die auf Platz 25 bis 36 der Müller-Tabelle müssen gucken, wo sie die fehlenden Millionen herholen. Die von Platz neun bis 24 kriegen noch zwei K.o.-Spiele (Hin- und Rück) geschenkt, um an die Fleischtöpfe heran zu dürfen. Ab Februar 2025 geht es dann im alten Stil weiter. Macht 19 Spiele, um den Henkelpott zu holen, statt 13. Aber man hat ja sonst nichts zu tun.
Bleibt die Frage : Wo die vier zusätzlichen Teilnehmer her kriegen ? Schon tobt ein Krieg. Frankreich, ewiger Fünfter in der UEFA-Fünfjahreswertung, will einen weiteren festen Startplatz. Die Vereinigung der Klubs möchte garantierte Startplätze für « verdiente Vereine ». Heisst, auch wenn Bayern oder Real mal per Unfall nur Tabellenzehnter werden, dürfen sie an der Champions League teilnehmen. Die UEFA möchte das Starterfeld beispielsweise um Ajax Amsterdam erweitern, auch wenn Holland in Europa weit abgeschlagen ist und der Cruyff-Klub mal nicht Meister wird. Die Meister von Andorra, Liechtenstein und Gibraltar jedenfalls müssen weiter warten. Und die Deutsche Fußball Liga (DFL) weiß noch nicht, wann sie ausgefallene Spiele wie Bielefeld gegen Werder in Zukunft nachholen soll.
Die Fans ? Werden schon so bescheuert sein, sich Dauerkarten auch für die Champions League zu kaufen. Haben in Corona-Zeiten schließlich schon genügend Geld ins Sparschweinchen gesteckt und werden das auch noch weitere Monate tun. Muss doch irgendwie dran zu kommen sein. Sky und DAZN machen mit mehr Spielen eh ihren Schnitt, ARD und ZDF verzichten. Kein öffentlich-rechtlicher Auftrag. Womit verzichten sie ? Mit Recht.
Die Geldschneiderei sollte ein Ende haben. Eine Müller-Tabelle nach zehn Spielen unter 36 Klubs, um eine Champions League zu entscheiden ? Schach statt Fußball ? Das ist, pardon Gerd, Dieter, Thomas und andere : schlichtweg nur noch Müll.
Rainer Kalb
