Der SC Freiburg ist ein Exot in der Bundesliga. Mal oben dabei, mal nicht, gehört er seit 1993 trotz einiger Auf- und Abstiege zum Inventar der Bundesliga. Kein Werksverein (sympathisch!), kein Traditionsverein (verdächtig!), hat er immer seine Rolle als Außenseiter erfüllt.
Jetzt braucht er nach 12 Jahren ein neues Stadion, auch weil das bisherige immer nur mit Ausnahmegenehmigungen zu bespielen war. Für den UEFA-Cup zu kurz, dazu mit einem Meter Gefälle - fehlte nur noch, dass auch die Tore nicht den 2,44 Metern Höhe und 7,32 Metern Breite entsprochen hätten.
Das neue Stadion wird wohl erst 2019 in Betrieb gehen können und soll die vergleichsweise lächerliche Summe von 117 Millionen Euro kosten. Rund die Hälfte trägt direkt oder indirekt „der Staat“, die andere Hälfte der SC Freiburg. Stellen sich drei Fragen.
Erstens: Wie soll das gehen, ohne dass der Verein weiter der Pleite entgegen schlittert oder seine besten Spieler verkaufen muss? 15 Millionen sofort, die restlichen 45 Millionen über erhöhte Mietzahlungen – wie soll da der SC Freiburg das strukturelle Defizit von drei bis fünf Millionen Euro/Jahr abtragen? Was nutzt dann die Kapazitätserhöhung von 24.000 auf 30.000 Zuschauer? Es droht, wie Le Mans in Frankreich, der Abstieg in die 4. oder 5. Liga wegen Lizenzverweigerung. Nur noch Steine, keine Beine. Da können dann auch die Streiche von Streich nicht mehr helfen. In Frankreich haben sie das Stadion neben die Auto-Rennstrecke gebaut, in Freiburg wollen sie es neben den Flugplatz setzen. Dann können die Fans den Spielern auch noch beim Abheben (zu Auswärtsspielen) zusehen.
Doch keine Frage: Freiburg braucht das neue Stadion. Wenn der Zuschauerschnitt in der Bundesliga bei über 40.000 liegt, das alte Stadion aber nur 24.000 fasst, sagt das alles. Mönchengladbach ist auch erst wieder eine Größe geworden, als der Bökelberg durch den Borussia-Park ersetzt wurde, die Bayern haben zu ihrer Vorherrschaft angesetzt, als ihnen anstelle des Grünwalder Stadions das Olympia-Stadion geschenkt wurde.
Da stellt sich die zweite Frage: Nur 46,5 Prozent der Bürger sind zur Wahl gegangen. Wie sehr liegt der Fußball den Menschen am Herzen, wenn nicht gerade Weltmeisterschaft ist? Nur 58,2 Prozent haben für das neue Stadion gestimmt, 45629 Bürger von den rund 170.000 Stimmberechtigten. Ist das nicht ein Desaster für den Volkssport Fußball ?
Immerhin: Das Stadion wurde nicht abgelehnt, so wie kürzlich eine Bewerbung des Großraums München für Olympische Winterspiele. Jetzt aber stehen in Hamburg und Berlin Bürgerabstimmungen Abstimmungen über lediglich Bewerbungen für die Austragung Olympischer Sommerspiele bevor. Allein die werden schon Millionen kosten. Und da stellt sich Frage drei: Es lässt sich ahnen, wie es ausgeht. Ein Volk, das mit dem zufrieden ist, was es an Bausubstanz und politische Führung hat, wird gegen den Sport, gegen Kosten und gegen Großbaustellen stimmen.
Deutschland hat keine Visionen mehr. Es lässt sich verwalten.
Rainer Kalb