Der Mensch Christian Constatin ist in Deutschland nicht unbedingt bekannt. Aber er ist Milliardär in der Schweiz. Außerdem exzentrischer Präsident des Schweizer Erstligisten FC Sion. Hat in seiner Karriere rund zwei Dutzend Trainer gefeuert. Außerdem engster Freund von Sepp Blatter. Wie Franz Beckenbauer immer im Spätsommer eingeladen zum Sepp-Blatter-Gedächtnisturnier. Und dort Privatgespräche, die länger dauern als die unverbindlichen Freundlichkeiten mit dem Kaiser.
Er gilt als der Bernard Tapie der Schweiz. Und wer weiß, dass der Schönschwätzer Tapie einst adidas gekauft und dann Franz Beckenbauer als Trainer für Marseille verpflichtet hat...
Vor allem aber ist Constatin ein Mann klarer Worte. Selbstbewusst, weil reich; intelligent und wortmächtig, weil mit den Mächtigen verbunden. Er war Torhüter bei Xamax Neuchâtel, als Blatter dort Präsident war. Und darf sich deshalb Blatter – und übrigens auch Platini – gegenüber Sätze herausnehmen, die sonst niemand zu sagen wagen würde.
Die französische Sporttageszeitung L’Equipe hat diesen fremden Menschen interviewt. Es ist nicht befremdlich, in diesen befremdlichen Tagen eine außergewöhnliche Meinung aus dem Ausland zu zitieren. Und wenn ein Freund einem öffentlich um die Ohren haut „Hör mal Sepp, die Party ist vorbei“, dann, ja dann ist das auch im Ausland zitierenswert.
Zumal der starke Tobak noch weitergeht: „Blatter träumte wirklich vom Friedens-Nobelpreis. Er hält sich für den Papst. Er hat den Boden unter den Füßen verloren.“ Constatin weiter: „Abgesehen vom Alter (79, die Red.), verlieren Menschen mit dieser Machtfülle ihren Verstand. Die werden kindisch und verrückt.“
Das alles könnte man als verbitterte Abrechnung eines enttäuschten Freundes abtun, wäre da nicht auch die glasklare, blitzhelle Erleuchtung, weshalb Blatter das ganze Theater inszeniert: „„Er wollte im Mai die (von zwei erhöhten, die Red.) fünf notwendigen Verbandsstimmen zur Unterstützung für Platini, Champagne und die anderen verhindern. Als das gescheitert war, wollte er Platini über die Ethik-Kommission hinrichten. Danach blieb doch nur noch er, der im Chaos wählbar blieb!“ Das kann in der Tat die Taktik des Fuchses Blatter sein.
Das würde auch erklären, weshalb die Neuwahl erst so spät wie möglich angesetzt wurde. Weshalb Platini und jetzt auch DFB-Präsident Wolfgang Niersbach in den Dreck gezogen werden. Blatter hat nach all den Arbeitsjahren in der FIFA eben einflussreiche „Freunde“ um sich geschart. Dass Ex-FIFA-Regierungsmitglied und Ex-DFB-Präsident Theo Zwanziger ursprünglich gegen Niersbach als DFB-Präsident war, ist bekannt.
Das ganze FIFA-Zeug ist ein Sauhaufen. Eigentlich sollten die Europäer einen neuen Verband gründen. Eine Europameisterschaft mit Einladungskarten für Brasilien und Argentinien statt einer Weltmeisterschaft reicht auch. So aber kann man sich samstags kaum noch über Tore freuen, sondern eine Woche lang nur über „ehrenamtliche“ Funktionäre ärgern.
Rainer Kalb